einfach leben

Ich platzierte den Josef in eine Nische neben der Terrasse. Er tat mir so leid. Als sich der Abend gnädig auf sein hässliches Gipskleid senkte, stellte ich ein Teelicht vor ihn. Im milden Kerzenlicht sah man nicht die grellen Farben, den Nikolausbart und das kitschige Jesuskind in seinen Armen so deutlich. An einem warmen Sommerabend kamen unsere evangelischen Freunde zu Besuch. Ein böser, nicht-ökumenischer Geist ritt mich. Ich zündete eine hübsche Kerze vor unserem Josef an. Unsere Freunde bemerkten es bald. „Ist das ein katholischer Heiliger?“ fragte meine Freundin – ich will nicht sagen „spitz“, aber irgendwie … nicht ganz „ökumenisch“. „Es ist der heilige Josef! Er trägt den Heiland!“ sagte ich stolz und stand auf, um die Figur zurecht zu rücken. „Ach, so“, meinte unser Freund. „Das ist ein hübscher Brauch, so den Josef zu ehren. Machen das katholische Familien so?“ „Nicht alle“, antwortete mein Mann selbstzufrieden lächelnd, „aber alle sollten es tun!“ 9

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