einfach leben

„Lass uns den Alten aufpeppen“, schaltete sich die Jüngste ein. Am folgenden Wochenende nahmen wir uns den Josef vor und verpassten ihm neue Kleider. Nur das Jesuskind mit den rosigen Wangen ließen wir so wie es war. Wir mischten Farben und pinselten. Sogar einen neuen Bart bekam der Josef. Zum Trocknen stellten wir die Figur in den Schuppen. Wochen vergingen. Als der Sommer kam und die Gartenarbeit im vollen Gange war, fiel er mir wieder ins Auge: Der angemalte Josef stand ganz hinten im Schuppen neben Harke und Gießkanne. Ein unangenehmer Druck imMagen erinnerte mich an mein Versäumnis, meine Verantwortung, mein gutes Herz. Das schlechte Gewissen umflutete mich. Hatte nicht die Tante schon mehrmals schriftlich und telefonisch nach dem Verbleib von ihrem Geschenk gefragt. Ich trug die Figur ins Haus und stellte sie auf die Fensterbank. „Nö, oder…?!“ kommentierte meine Tochter die neue Dekoration. „Wo kommt der denn her?“ fragte mein Mann. „Aus dem Schuppen“, sagte ich trocken. Wir sollen ihn gut behandeln, dachte ich an die Bitte der Tante. Ich schickte ein kurzes Stoßgebet zu ihm: „Heiliger Josef, du hast ein Leben in Demut geführt. Ich weiß, du verdienst einen Ehrenplatz, aber bei uns finden wir keinen…“ „Ich weiß was,“, fiel meiner Tochter ein, „wir stellen ihn in den Garten. Da stört er nicht.“ 8

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