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100 Gelingendes Leben Am 17.02.2014 schrieb Georg Koch <koch.georg@st-ignatius.de > Lob dem Zaudern Von dem Esel wird erzählt, dass er in Afrika groß geworden ist. Er lebte am Wüstenrand in Bergregionen, wo viel Steingeröll die Fortbewegung erschwerte oder sich gefährlich gestaltete. Bei den Nomaden galten die Esel als kluge Tiere. Sie stellte man an den Anfang der Karawane als Leittiere. Wenn es un- wegsam wurde, dann zauderten sie und blieben stehen. Sie rochen die Gefahr. Wenn sie von Raubtieren angegriffen wur- den, blieben sie ebenfalls stehen, weil sich diese aufgrund ihrer genetischen Entwicklung nur bewegliche Ziele als Beute aussuchten. So retteten die Esel ihr Leben. Das Zaudern und das Stehenbleiben des Esels war für die Menschen der dama- ligen Zeit eine besondere Begabung, das Leben zu meistern. Der tatversessene Mensch der heutigen Tage, der alles im Schweinsgalopp erledigen will, urteilt über den Zauderer: Der dumme Esel. Was als Klugheit des Esels galt, charakterisiert er als Torheit des Esels, dieser dumme, moderne Esel. Über ein solches Verhalten kann er nur wiehern. Aber eines Tages, wenn er in der Schnelligkeit seines Daseins stolpert, hinfällt, eine Depression ihn umschattet, dann mag der Esel in ihm zu rufen: JA oder IA wie nützlich ist das Zaudern. In der Bibel wird berichtet, wie der Seher Bileam auf seiner Eselin unterwegs ist, um für großes Geld seinen Dienst dem fremden König anzubieten (Numeri 22,22-35). Dreimal bleibt die Eselin stehen, zaudert beim Weitergehen. Dafür erhält sie regelmäßig Schläge. Dann erschaut Bileam selber den Engel mit Schwert, der den Weg versperrt. Er war unterwegs nach dem Motto: Ohne Moos ist nichts los! Darüber hatte er seinen Gott und sein Volk vergessen. Die störrische Eselin hatte ihn darauf aufmerksam gemacht, dass er so in den Tod hinein rennt. Sie half ihm durch ihr Zaudern zu erkennen: Lob, Preis und Dank an Gott ist der tiefere Sinn menschlichen Lebens. Die Blindheit und Taubheit des Sehers Bileam findet sich in un- seren Tagen immer wieder. Wir wollen reich werden an allem und vergessen, was uns wirklich reich macht. Im Schweinsga- lopp und tatversessen ruinieren wir uns und vergessen die Momente der Ruhe, der Stille und der Stimme des Esels in uns. Vielleicht ist die Dummheit des Esels die Klugheit, die uns fehlt. Pastor Georg Koch

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