Spiritualität für die Gegenwart

Ökumene der christlichen Kirchen kannte er noch nicht, forderte aber auf, auch Häretiker (so wurden Christen anderer Kirchen damals bezeichnet) und Muslime als die zu liebenden Nächsten zu betrachten und für sie zu be- ten, wie er selbst es tat. Sein priesterlicher Dienst vollzog sich innerhalb der damaligen kirchlichen Vorgaben und Strukturen, dennoch setzte er so unkonventionelle und innovative Schritte, dass er sich den Unmut vatikani- scher Behörden zuzog. Die Idee zu einer umfassenden of- fenen apostolischen Gemeinschaft konnte er zunächst deshalb nicht in der Weise verwirklichen, wie er es er- hoffte. Seine Lebensspanne fällt in die sogenannte Sattelzeit , jene etwa fünfzig Jahre rund um die Jahrhundertwende vom 18. zum 19. Jahrhundert, die den Übergang von der frühen Neuzeit in die Moderne bezeichnet. In diesem zweiten Teil der Neuzeit trat das Neue der Epoche auch erstmals wirklich ins Bewusstsein und wurde ab da zu- nehmend ref lektiert. Die politisch-gesellschaftlichen Umwälzungen dieser Geschichtsphase waren enorm. Als Vinzenz Pallotti gerade das Licht der Welt erblickte, tobte die Französische Revolution (1789 – 1799). Sie löste das Ancien Régime des französischen Absolutismus ab, und blieb mit den Leitmotiven Freiheit, Gleichheit und Brü­ derlichkeit ein Markstein der neuen Zeit. Eine Dynamik in Richtung Aufbau demokratischer Strukturen, Auf- wertung des Bürgertums, Emanzipation von Autoritäten, Industrialisierung, Zunahme der Mobilität, Forschung und Fortschrittsglaube prägte zunehmend das Leben in großen Teilen Europas. Pallotti griff zwar solche Themen 19

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