Spiritualität für die Gegenwart

schen. Politisch dachte er – wie auch seine Familie es tat – konservativ. In vielem aber war er überraschend inno- vativ und seiner Zeit weit voraus, was ihm selbst aller- dings kaum bewusst wurde. Die Demokratie als Regie- rungsform blieb ihm zwar fremd, zugleich aber war ihm die Beteiligung möglichst vieler, letztlich aller an der Verantwortung in Kirche und Welt wichtig. Er konnte sich einen Papst ohne Kirchenstaat nicht vorstellen. Pal- lotti war papsttreu, zugleich auch laienorientiert. Er hatte ein traditionelles, seiner Zeit entsprechendes Priesterbild, kritisierte aber auch mit scharfen Worten die zahlreichen Missstände im Klerus. Falsche Rücksichten kannte er da nicht, und er stand mit seiner Kritik keineswegs alleine da. Er konzentrierte sich auf die Stadt Rom, die er als das Herz der Kirche betrachtete, und war doch zugleich brennend an der Weltkirche in ihrer Vielfalt und ihren verschiedenen Riten interessiert. Zu Epiphanie, dem Fest der Erscheinung des Herrn am 6. Januar, das damals noch eine Oktav hatte, was bedeutet, dass es acht Tage lang gefeiert wurde, organisierte er Veranstaltungen und Gottesdienste mit den in Rom lebenden Studenten (ge- meint sind da die Priesteramtskandidaten) aus aller Welt. Dabei feierten sie in den unterschiedlichen katholischen Riten und den Eigenheiten ihrer Kulturen und Sprachen entsprechend. Diese Feiern der Epiphanieoktav blieben in Rom bis zum Zweiten Vatikanischen Konzil in leben- diger Erinnerung. Die Vielfalt der Kirche freute und fas- zinierte Pallotti. Er betrachtete sie als Aufgabe und war doch zugleich ganz auf das Wachsen einer Einheit ausge- richtet. Eine Herde mit einem einzigen Hirten – das war sein Traum für die Kirche und für die ganze Menschheit. 18

RkJQdWJsaXNoZXIy MjY4MzQ=