Reformation - damals und heute

85 gegenüber die Bischöfe nur als Schafe fungierten. Die Bischöfe erhiel- ten in diesem Konzept ihre Autorität lediglich als Teilhabe an der ple- nitudo potestas des Papstes. Der Papst als Haupt der Kirche und des Konzils repräsentiert nach dieser Sichtweise nicht den Leib Christi im Gegenüber zu Christus, sondern er repräsentiert Christus im Verhältnis zu seinem Leib. Dass Cajetan auch von der Unfehlbarkeit, der Infallibi- lität des Papstes überzeugt war, passt zu diesem Denkmodell. Von hier aus lässt sich eine Linie weiter verfolgen, bis sie in das Erste Vatikani- sche Konzil und die Definition der Unfehlbarkeit des Papstes mündet. Das ekklesiale Denken der damaligen Zeit benützte zwar – wie schon die frühchristliche Theologie – biblische Bilder, sprach etwa von der Kirche als dem mystischen Leib, hatte aber damit nicht an der Gesamt- kirche, sondern nur an der Kirchenleitung Interesse. Die Kirche galt in der damaligen römisch-katholischen Vorstellung als societas perfecta , eine in sich abgeschlossene, sich selbst genügende Gesellschaft, während sie in der protestantischen Sicht die societas inperfecta war, zwei Sichtweisen, die sich kaum miteinander vermitteln ließen. Robert Bellarmin (gest. 1621) prägte die nachtridentinische Ekklesiolo- gie am stärksten und nachhaltigsten. Er sah in der Kirche eine Gemein- schaft unter dem Stellvertreter Christi, dem Papst. Nach seiner Sicht gründete Christus die Kirche dadurch, dass er ihr seinen Stellvertreter an die Spitze stellte. Die Gläubigen werden der legitimen Regierung der Hirten und vor allem dem römischen pontifex unterworfen, dem einzigen Stellvertre- ter Christi auf Erden … (Zitat Bellarmin). Wenn Bellarmin vom Volk und seinen Hirten spricht, meinte er die Gläubigen und ihnen gegenüber die Bischöfe. „Die Kirche ist nicht nur – was für Thomas [von Aquin] noch voll ausreichte – durch Gemeinschaft im Glaubensbekenntnis und Sakrament bestimmt, sondern dadurch, dass jene unter dem legitimen Amt und »besonders« unter dem des römischen Bischofs lebt.“ 7 Die Bedeutung des Papstamtes spielte zunehmend eine zentrale und im ersten Jahrtausend der Kirchengeschichte nicht gekannte Rolle. Für den Klerus hatte das beispielsweise folgende Konsequenz: Bei der Ordinati- on kirchlicher Amtsträger wurde nicht nur die ausdrückliche Anerken- nung der heiligen katholischen römischen Kirche gefordert, sondern 7 O. H. Pesch, Das Zweite Vatikanische Konzil. Vorgeschichte – Verlauf – Ergebnisse – Wir- kungs-geschichte , Würzburg 3 2011, S. 136.

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