Reformation - damals und heute

81 Vinzenz Pallotti: „Die eine Herde und der eine Hirt“ – ein Bild für die Zukunft der Kirche? (Dr. Brigitte Proksch UAC) Ein Studientag einer römisch-katholischen Einrichtung anlässlich des Jubiläumsjahres der lutherischen Kirche zum 500. Jahrestag der Refor- mation gibt ganz selbstverständlich die Ausrichtung auf aktuelle Fragen der Ökumene als Rahmen für die Behandlung der einzelnen Themen- stellungen vor. Ökumene ist heute – Gott sei es gedankt! – aus dem Mainstream der Kirchen nicht mehr wegzudenken. Zur Zeit Vinzenz Pallottis allerdings, der von 1795 bis 1850 in Rom lebte, gab es diese Blickrichtung noch nicht. Die Suche nach einem Modus von Gemein- schaft, ja nach der Einheit der christlichen Kirchen hatte in dieser Wei- se noch nicht begonnen, im Gegenteil, die Nachwehen und Folgen der Gegenreformation waren noch spürbar. So stellt sich die Frage, inwie- weit ein römisch-katholischer Priester aus der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts Inspiration für eine ekklesiologisch-theologische und zu- gleich christlich-existenzielle Aufgabenstellung des 21. Jahrhunderts sein kann und konkret, ob und wie er etwas zu ökumenischen Perspek- tiven beitragen könnte. 1 Vorbemerkung Dazu ist ein Hinweis auf den Umgang dieses Beitrags mit Leben und Schriften Vinzenz Pallottis notwendig. Aus Pallottis Feder liegt nichts Systematisches-Theologisches vor. Zieht man Pallottis Lebensgeschich- te einerseits und seine vielfältigen Schriften andererseits als Quelle her- an, so lässt sich das für heute Richtungsweisende nicht sofort und un- mittelbar erkennen. Die Interpretation seines Werkes im Licht seines Handelns ist notwendig. Dabei spielt die Deutung im Sinne des sensus plenior eine Rolle , der als legitimes hermeneutisches Instrument über die direkte und bewusste Intention des Autors hinausgehen kann. In einem weiteren Schritt geht es um die Implikationen von Ansätzen in Pallottis Schriften und um die Entwicklung von Perspektiven, die – nimmt man Pallotti ernst – heute im Kontext und unter den Bedingungen der Ge- 1 Dieser Beitrag ist eine gekürzte Fassung des Vortrags, der auf dem Studientag am 21. 10. 2016 des Pallotti-Instituts in der Phil.-Theol. Hochschule Vallendar gehalten wur- de, der Vortragsstil wurde im Wesentlichen beibehalten.

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