Pallottis Werk 2020 / 2

PALLOTTIS WERK // 2020-02 3 »Gemeinsam die Kirche erneuern« 100 Jahre Pallottiner in der Schweiz Die »Tagung am Friedberg« am Samstag nach Ascher­ mittwoch gehört zum festen Programm der Schwei­ zer Pallottiner. In diesem Jahr konnte Provinzial, P. AdrianWilli, Dr. Urban Fink-Wagner, Geschäftsfüh­ rer der Inländischen Mission, als Referenten begrü­ ßen. Die Veranstaltung war der Auftakt zu noch wei­ teren im Jubiläumsjahr »100 Jahre Pallottiner in der Schweiz« im Provinzialat am Friedberg in Gossau. Der Vortrag kreiste um die Bedeutung der Apostoli­ schen Gemeinschaften des 19. und 20. Jahrhunderts für die Kirche der Schweiz. Ein Blick in die katholische Kirche der Schweiz zur Zeit Pallottis macht klar, dass auch hier die Einheit von Kirche und Staat durch die Säkularisierung zerbrach und die soziale Frage durch die Indus­ trialisierung und Verstädterung eine ganz neue Herausforderung war. Durch die Gründungen vor allem verschiedener Fraueninstitute trat die Kir­ che der sozialen und kulturellen Not entgegen. Ein »Berufungsboom« führte zu einer »Verweiblichung der Kirche«. Dadurch wurde ihre Glaubwürdigkeit wiederhergestellt und führte in der Neuordnung der politischen Verhältnisse zumMilieukatholizismus und zu einer »Verbände-Kirche«. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts waren diese jungen, apostolischen Gemeinschaften soweit gefestigt, dass sie neue Aufgaben übernehmen wollten. So kamen verschiedene Missionsgesellschaften auch in die Schweiz. Für die Pallottiner und die Pallottinerinnen stand ein Missionsverständnis nach außen (Evangeli­ sierung in den Missionsgebieten) und nach innen (Evangelisierung in der eigenen Kirche) imVorder­ grund. Dies demCharisma Pallottis entsprechend, der die sogenannte »Heidenmission« nicht von einer Erneuerung des Glaubens unter den Katholi­ ken loslösen wollte. Vor allem durch die Gründung von Schulen, durch die Verbreitung von Zeitschrif­ ten wie auch durch die Mitarbeit in der Gemeinde­ pastoral durch Aushilfen und Volksmissionen fand die Idee eines universellen Apostolates Gehör. Die Texte des Zweiten Vatikanischen Konzils siegelten das Kirchenbild Pallottis wieder und beflügelten die Anstrengungen der pallottinischen Gemeinschaften. Heute stehen Gesellschaft und Kirche wieder vor großen Veränderungen, so Dr. Fink-Wagner. Kirch­ lich gesehen steckt vor allem die Glaubwürdigkeit der kirchlichen Hierarchie in einer Krise. Das birgt die Gefahr von Lähmung und Frustration auf allen Ebenen in sich. Andererseits stellte der Referent innerkirchlich eine Polarisierung und Spaltung fest und eine Dialogunfähigkeit, die bis in die Bischofs­ konferenz reicht. Der Pallottiner-Freund Fink-Wagner riet, zunächst die Realität ehrlich wahrzunehmen. Gott spreche durch die Krise. In einer offenen Gesellschaft kön­ nen Christen nur noch eine Rolle spielen, wenn sie in Demut den Dialog suchen. Niemand hat die Wahrheit für sich gepachtet, auch Christen bleiben Suchende und Fragende. Gerade die Apostolischen Gemeinschaften zeigten sowohl in der Geschichte wie in der Gegenwart, dass man das Kleine wagen und mit kleinen Schrit­ ten in die Zukunft gehen soll. Die Kirche lebe nicht von Strukturen, sondern vomGeist, von der Spiritualität. Die Diskussion nach demVortrag war äußerst leb­ haft. In den Voten kam die ganze Spannbreite der heutigen Kirchensituation zumVorschein. Einerseits war spürbar, dass viele Veränderungen erwarten und enttäuscht sind, dass sich die Kirche nicht bewegt. Andrerseits gab es auch warnende Stimmen, dass sich die Kirche nicht derWelt anpassen dürfe. aw Sie kennen einander aus der Studienzeit in Fribourg: Dr. Urban Fink-Wagner (links) und Provinzial P. Adrian Willi, der »Erfinder« der »Tagung am Friedberg«. PALLOTTINER VOR ORT

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